Kapitel 3: klinische Diagnostik

Head und Mackenzie gehören, wie in Kapitel 1 und 2 dargelegt, zu den Ersten, die den übertragenen Schmerz im Speziellen und den Schmerz im Allgemeinen wissenschaftlich untersucht haben. Aus diesen Untersuchungen gingen Erkenntnisse hervor, die von anderen, allen voran Hansen und Schliack, aufgegriffen wurden.

Durch die in Kapitel 1 beschriebene, offensichtlich unkritische Übernahme einer Abbildung zur Schmerzübertragung (Treves), sind manche dieser Erkenntnisse in die einschlägigen Lehrbücher der Medzin kaum eingeflossen.
Eine kleine Gruppe hat sich der intensiven Untersuchung dieser Erkenntnisse gewidmet. Federführend dabei waren Hansen und Schliack. Sie haben nicht nur selbst viele Patient(inn)en untersucht, sondern auch vorangegangene Arbeiten Anderer systematisch ausgewertet. Aus der Gesamtheit aller Arbeiten lassen sich vier prinzipielle Feststellungen gewinnen:
Punkt 3 dürfte zu den wichtigsten zählen. Dass eine Erkrankung innerer Organe vorliegt, ergibt sich aus der ersten Anamnese. Anders jedoch als die neurologisch-topische Diagnostik, die recht genau ist, erlaubt die Schmerzbetrachtung bei Erkrankungen der inneren Organe keine eindeutige und absolut unstrittige Zuordnung von Schmerz und betroffenem Organ - jedoch suggeriert die Abbildung nach Kleinschmidt dies.

Methodik der klinischen Schmerzuntersuchung

Um Schmerzsymptome richtig zu werten und daraus weitere Informationen abzuleiten, benötigt man die Kenntnis der Topographie der Dermatome und der Myotome.
Die Dermatome lassen sich am besten mit Hilfe der Originalkarten Heads für den Rumpf und der Karten von Hansen und Schliack für die Extremitäten veranschaulichen.

Beides findet sich für die unmittelbare Anwendung vorbereitet im Bereich Arbeitsmaterial unter Karten und Tabellen.

Die Myotome ergeben sich aus der Kenntnis der Nerven, welche die Muskeln versorgen, sowie der Faseranteile der Segmente, welche die Nerven und Nervenplexus bilden. Mehr dazu siehe unten.

a) Ablauf der Untersuchung

Zunächst steht die allgemeine Anamnese im Vordergrund. Dieser folgt dann eine Schmerzanamnese:
aa) Mit diesen Fragen lässt sich eingrenzen, ob direkter Organschmerz oder übertragener Schmerz vorliegt. Je heller und schärfer der Schmerz abgrenzbar ist, desto eher liegt übertragener Schmerz in die Haut vor. Je dumpfer und schlechter lokalisierbar er ist, desto eher handelt es sich um Schmerz der tiefen Schichten bzw. sehr selten den direkten Organschmerz.

bb) Die schmerzende Fläche und die Qualität des Schmerzes sind nun bekannt. Aus dem Dermatom (gut lokalisierbar) bzw. den Muskeln (dumpferer Schmerz) ergibt sich ein bzw. ergeben sich mehrere Segment(e). Diese wiederum sind mehreren Organen zugeordnet.

Die Zugehörigkeit der Segmente zu den inneren Organen ist der Tabelle zu entnehmen, die sich unter Karten und Tabellen findet. Dort steht auch eine Datei mit Erläuterungen zur Organ-Segment-Zuordnung sowie eine Übersicht der relevanten Muskeln und ihrer Innervation zum Aufruf bereit.

Die Dermatomkarten, die Organ-Segment-Zuordnung und die Hinweise in den Erläuterungen können ausgedruckt und direkt verwendet werden.

cc) Damit stehen nun mehrere mögliche betroffene Organe im Verdacht. Auf Grund der Anamnese, ggf. weiterer Befragung sowie Auskultation und Perkussion ergibt sich die Verdachtsdiagnose, die sich so auf ein Organ (oder eine zusammenhängende Organgruppe) eingrenzen lässt.

dd) Beschreibt der Patient keinen Spontanschmerz, sondern ausschließlich vegetative Symptome, tritt an Stelle der Beschreibung und Auswertung des Spontanschmerzes die Palpation. Dazu wird oberflächlich palpiert, was häufig einen Schmerz auslöst, gefolgt von tiefer Palpation, die ebenfalls Schmerz auslösen kann.

Zeigt sich ein positives Palpationszeichen, liegt dieses in einem bestimmten Dermatom bzw. betrifft bestimmte Skelettmuskeln, welche einem oder mehreren Segmenten zugeordnet sind. Das weitere Vorgehen entspricht dann dem am Ende von Punkt bb).

b) Abschließende Überlegungen

Die beschriebene Untersuchungsmethodik kann klinische Erfahrung nicht ersetzen. Sie ist ein Hilfsmittel, das ohne Geräte- oder Labortechnik zur Diagnosefindung beiträgt.